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Wolhynien und die Evangelischen Baptisten-Gemeinden im Gebiet Rowno

von OTTO PENNO

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Die Teilungen Wolhyniens

Da nach dem 1. Weltkrieg die Provinz Wolhynien geteilt und die Kleinstädte Tutschin und Korez durch die Grenze getrennt wurden, war der brüderliche Kontakt zwischen den Gemeinden in Polen zu den Baptistengemeinden im Raum Shitomir, Heimthal und Nowograd/Korez unterbrochen. Hinzu kam, dass jetzt im Westen die Amtssprache nicht mehr Russisch, sondern Polnisch war. Da es in den deutschen Siedlungsgebieten eine gewisse Autonomie und Selbstverwaltung gab, merkte man zunächst nicht viel von den neuen Sprachvorschriften und Schreibweisen. Man sprach und schrieb weiter einfach deutsch.

Das änderte sich jedoch in den Jahren 1937/38. An den Schulen wurde nur noch in polnischer Sprache unterrichtet und Deutsch verboten. Die Kinder- und Jugendarbeit in den Kirchengemeinden wurde überprüft. Die Regierung in Warschau erwartete im Gottesdienst die polnische Fahne und die Nationalhymne nach den Segensworten der Pastoren. Gegen dieses Ansinnen setzte sich die Baptistengemeinde zur Wehr. Sie vertrat den Grundsatz, dass Kirche und Staat von einander getrennt seien und sich einander die Freiheit zugestehen müssten.

Da mein Vater damals Jugendleiter in der Evangelischen Baptisten-Gemeinde Lucenow war, kam im Juli 1939 die Polizei, um eine Hausdurchsuchung nach deutschem Schriftmaterial durchzuführen. Die Gemeinde aber war gut mit christlichem Schriftgut aus dem Oncken-Verlag in Kassel versorgt. Und so war es für die Polizei ein Leichtes, deutsche Schriften zu finden. Politisches Material war jedoch nicht dabei. Und dennoch wurde Vater verhaftet und ins Konzentrationslager "Katuska-Beräsa" gebracht.

Das war am Vorabend des Zweiten Weltkrieges. Mein Urgroßvater hatte aus politischen Gründen das Posener Land verlassen, um endlich in Frieden leben zu können. Jetzt drohte das Schicksal in einem neuen Gewande, aber wieder nur, weil wir Deutsche waren.

Als die Rote Armee im Zuge des am 1. September 1939 begonnenen deutsch-polnischen Krieges schnell in Polen einrückte, befreite sie die sogenannten "politischen Häftlinge", darunter auch meinen Vater.

Für uns Deutsche in Wolhynien kam jetzt die weniger bekannte Seite des Hitler-Stalin-Paktes vom 23. August 1939 zur Geltung. Es war beschlossen worden, die Umsiedlung der West-Wolhynier ins Posener Land - woher wir ja gekommen waren - durchzuführen. Es hieß: "Jetzt gelten wieder die alten Grenzen von vor 1918. Der Zankapfel 'Korridor Westpreussen' ist gelöst. Die Umsiedlung muss bis zum 31. Dezember 1939 abgeschlossen sein."

Wer umgesiedelt werden wollte, musste sich in eine entsprechende Liste eintragen. Es wurden auch alle Besitz- und Eigentumsverhältnisse an totem und lebendigem Inventar registriert. Für das zurückgelassene Eigentum wurde eine Entschädigung bzw. Neuansiedlung zugesagt, was aber in den meisten Fällen nicht eingehalten wurde. Umgesiedelt wurden auch alle fünf Baptistengemeinden aus dem Gebiet Rowno in das Wartheland.

Zunächst wurde für uns ein Umsiedlungslager in Groß-Ullersdorf in Mährisch-Schönberg eingerichtet. Als der ganze Umsiedlungsprozess am 1. August 1940 abgeschlossen war, stellten wir fest, dass die fünf Gemeinden auf das ganze Wartheland verteilt waren. So war ein Fortbestand der alten Gemeinden nicht mehr möglich.

In unserer neuen Heimat "Wartheland" lebten wir aber nur fünf Jahre. Am 18. Januar 1945 folgte unser Weg der Flucht und Vertreibung in den Westen als Folge des Zusammenbruchs des Hitlerreiches. Es kam zunächst auf uns eine furchtbare Zeit zu.

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Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors. Otto Penno ist Pastor des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland. Er wurde 1937 in Lucynow im Gebiet Rowno geboren.

Für mehr Informationen über die Geschichte der deutschen Baptisten in Wolhynien siehe auch Donald Miller: In the Midst of Wolves. A history of German Baptists in Volhynia from 1863 to 1943.

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